Sag Nein!

Selbstsicherheitstraining für die Mädchen der dritten Klassen

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Der Umstand, dass Mädchen und Frauen im privaten wie im öffentlichen Raum immer wieder mit Gewalt, auch sexuellen Übergriffen konfrontiert werden, verlangt nach vorbeugenden Maßnahmen und eine davon ist es, die Mädchen im Vorfeld zu stärken.
Beim Projekttag der Mittelschule Kastelruth konnte den Mädchen der dritten Klassen mit Hilfe der großzügigen Unterstützung der Seiser-Alm-Bahnen-AG ein besonderes Angebot gemacht werden. Dr. Doris Kaserer, u. a. Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin für Kinder und Jugendliche, leitete für die Mädchen der dritten Klassen einen Workshop unter dem Motto „Sag Nein!“

Zu welchen Themen genau in diesen jeweils zwei Stunden gearbeitet worden ist und wie die Mädchen sich darauf eingelassen haben, dazu haben wir Frau Kaserer befragt:

Warum ist aus Ihrer Sicht eine explizite Stärkung der Mädchen und Frauen wichtig und notwendig?
Meiner Meinung nach sollte es unser Anliegen sein, ALLE Kinder – egal ob Mädchen oder Junge – zu stärken. Wenn wir von klein auf lernen und die Erfahrung machen, dass wir geliebt werden bzw. dass wir in Ordnung sind, so wie wir sind, dann wachsen wir zu starken Erwachsenen heran, die es nicht nötig haben, andere zu schikanieren oder zu unterdrücken.
Wehren sich Frauen und Mädchen zu wenig? Wenn ja, warum? Liegt es an Erziehung, oder Sozialisation?
Kinder, die in einer Familie aufwachsen, in der man sich gegenseitig achtet und wertschätzt und in der es auch in Ordnung ist, Grenzen zu setzen und mal Nein zu sagen, entwickeln ein gutes Gespür dafür, was und wer ihnen guttut und was/wer nicht. Das heißt, sie entwickeln ein gesundes Selbst(wert)gefühl, was es ihnen dann auch im Teenager- und Erwachsenenalter erleichtert, besser für sich einzustehen.
Was schwächt Mädchen bzw. auch Jungen?
Eine Kuschelpädagogik, die Kindern alles erlaubt und ihnen gleichzeitig nichts zutraut, schwächt die Kinder. Aber auch ein abwertender, sarkastischer und einschüchternder Umgang ist Gift für ein gesundes Selbstwertgefühl.
Welche Frauenbilder, bzw. Vorbilder schwächen bzw. stärken Mädchen?
Das ist eine Frage, die wohl jedes Mädchen subjektiv anders beantworten würde. Verallgemeinernd würde ich persönlich sagen, dass alle Menschen, die authentisch und stark ihren Weg gehen, mit allen Höhen und Tiefen, ein stärkendes Vorbild sein können.
Wie arbeiten Sie mit den Schüler*innen?
Ich arbeite mit ihren Stärken und Ressourcen: Ich helfe ihnen zu erkennen, dass sie die Wahl haben, ob sie sich als Opfer fühlen oder ob sie selbstbestimmt ihr Leben in die Hand nehmen. Wir machen Übungen, Spiele, theoretische Einheiten und haben viel Spaß bei der praktischen Umsetzung.
Wie haben die Schüler*innen ihr Angebot angenommen?
Insgesamt haben sie die Schülerinnen interessiert gezeigt und aktiv mitgemacht. Die Rückmeldungen waren sehr positiv.
Welchen Tipp können Sie Eltern von Mädchen geben?
Gebt euren Kindern das Gefühl, dass sie für euch wertvoll sind. Seid achtsam und authentisch. Achtet auf eure eigenen Grenzen, damit sie lernen, dass auch sie Grenzen setzen dürfen. Achtet auf eine wertschätzende, klare Kommunikation und bringt euren Kindern bei, dass sie nicht alles, was andere zu ihnen sagen, persönlich nehmen müssen. Dieselbe Haltung befähigt aber meines Erachtens auch die Jungen, stereotype, einschränkende männliche Verhaltensmuster zu hinterfragen und zu durchbrechen und beweglicher und achtsamer zu kommunizieren.
Wie können in diesem Sinne die Kinder in den Familien gestärkt werden?
Indem sie die Familie als sicheren Hafen erleben, wo sie als gleichwürdige Mitglieder gesehen und behandelt werden. Die Familie ist ein wertvolles Lernfeld, wo Kinder ihre sozialen Kompetenzen lernen, wo sie auch mal ein Nein üben können und wo sie sich mit anderen reiben und somit lernen können, mit Konflikten souverän umzugehen.
Danke für ihre wertvolle Arbeit.

Die Schule als Lern- und Übungsraum für soziales Verhalten versucht ihrerseits durch die Förderung eines guten Schulklimas, durch Angebote zum sozialen Lernen und durch klare Verhaltensregeln einen wertschätzenden Umgang zu fördern und zu trainieren. Bei Konflikten und Reibungen kommt es aber auch hier trotz der geltenden Regeln zu Situationen, die verletzend sein können, in der die Einzelnen klare Grenzen ziehen sollten: Diese Gedanken habe sich die Schülerinnen im Anschluss gemacht:

Am 18. März, an einem Montag, hatten wir beim Projekttag einen Workshop. Frau Kaserer, die Leiterin des Workshops, hat sich vorgestellt und uns nach unserer Meinung gefragt, dabei ging es um unserer Selbstvertrauen, unsere Selbstwahrnehmung. Wir durften lernen, wie wir selbstsicher durch die Straßen gehen können, wie wir durch einen sicheren Stand und eine aufrechte Haltung Sicherheit und Stärke vermitteln können: aufrechte Haltung, Schultern zurück, Kopf nach oben! Wir machten auch eine Übung dazu, wie wir gemeine Sprüche über unseren Körper oder unsere Persönlichkeit ignorieren können. Auch das „Nein-Sagen“ haben wir ganz konkret in einer Partnerübung ausprobiert. Dabei durften wir auch laut werden! Dieser Workshop hat mir geholfen, mich selbstbewusst und stark in der Außenwelt zu verhalten. Mir hat es gefallen und es war sehr unterhaltsam. Ich bin froh, dass ich dabei sein durfte.
E.

…Wir Mädchen trauen uns manchmal nicht Nein! zu sagen, denn es wurde uns beigebracht immer höflich zu sein. Vielleicht haben wir es falsch aufgenommen, aber Höflichkeit hat nichts damit zu tun, sich alles gefallen zu lassen und die eigenen Grenzen nicht mitzuteilen. „Nein“ ist in diesem Sinne eines der wichtigsten Wörter im Leben. In diesem Workshop habe ich gelernt, dass es nicht so schlimm ist, nein zu sagen und manchmal ist es sogar sehr wichtig. Es schützt vor Belästigung und hilft, nicht missverstanden zu werden. Ein klares Nein hilft dem anderen zu verstehen, was man möchte und was nicht…Ich habe mir vorgenommen in Situationen, in denen ich mich unwohl fühle oder jemand meine Grenze nicht respektiert, mit einem klaren Nein meine Haltung zu zeigen…
M.

…Viele Mädchen berichten, dass sie in diesem Workshop gelernt haben zu sich zu stehen und „nein“ zu sagen. Mit der Trainerin Frau Kaserer wurde besprochen, wie man auftreten soll und dass die Körperhaltung und damit verbunden die Ausstrahlung eines der wichtigsten Elemente im Erscheinungsbild des Menschen sind. Die Themen, die wir angesprochen haben in diesen zwei Stunden haben wir dann auch praktisch ausgeführt. So haben wir gelernt, die Bestimmungsmacht über unseren Körper zu haben und das Nein, das uns zusteht auch auszusprechen…
G.

…Ich fand den Workshop sehr gut, denn ich habe gelernt, mir nichts gefallen zu lassen, z. B. wenn jemand im Bus seine Hand auf meinen Schoß legt, nicht schüchtern und leise anzudeuten, dass ich das nicht mag, sondern laut und deutlich zu sagen: „Tun Sie die Hand da weg. Ich möchte das nicht!“ So können die Menschen hinter oder vor mir reagieren und mir helfen. Sie wissen, dass etwas Unangenehmes geschieht, mit einem Unbekannten. Wir haben auch einen kurzen Selbstverteidigungskurs gemacht und dabei gelernt, wie man sich befreit, wenn man am Puls festgehalten wird.
Insgesamt hat mir der Workshop sehr gut gefallen. Ich fand es gut, dass die Schule diese Chance zur Verfügung gestellt hat. Wenn es nächstes Jahr wieder einen Projekttag geben sollte, dann fände ich es gut, wenn die Mädchen der nächsten dritten Klassen auch diese Erfahrung machen könnten.
N.

Ich möchte mich bei Frau Kaserer, die mit uns den Workshop gemacht hat, bedanken. Meiner Meinung nach war der Workshop ein Erfolg. Sie hat uns durch Beispiele veranschaulicht, was alles passieren kann und auch darüber gesprochen, was sie erlebt hat. Wir haben dabei auch eine Szene nachgespielt, wie es einer Jugendlichen ergehen kann, die im Bus belästigt wird. Dabei haben wir verschiedene Varianten von Reaktionen ausprobiert und dabei gesehen, dass es besser ist laut und deutlich sein Unbehagen zu äußern als sich leise und höflich zu wehren.
Ich fand es hilfreich, dass Frau Kaserer uns erklärt hat, dass man Nein sagen darf, ja, dass man es auch muss. Man sollte auch für Zuhörer deutlich machen, dass man die Person, von der man belästigt wird nicht gut kennt: „Nehmen Sie die Hand von meinem Bein weg!“. Da dürfte jeder Anwesende verstehen, dass etwas Unerwünschtes passiert.
Alles in Allem hat mir der Workshop sehr gut gefallen und das Erlernte war und ist sehr hilfreich.
Ich würde den Workshop allen Frauen und Mädchen empfehlen.
E.

Die Trainerin Doris Kaserer hat mit uns zu den Themen Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit gearbeitet, indem sie uns Fragen gestellt hat, uns mit Beispielen konfrontiert hat. Sie hat uns dabei den Unterschied zwischen einer schüchternen Person und einer sehr sicheren Person deutlich gemacht. Wir sind übungsmäßig zu zweit zusammengegangen und haben uns Beleidigungen und Komplimente ausgetauscht. Mit Hilfe eines Papierballes haben wir geübt, wie wir Komplimente fangen und Beleidigungen fallen lassen, bzw. ignorieren können. Eine Frage an uns war, was wir tun würden, wenn uns jemand, von dem wir uns das nicht erwarten, z. B. im Bus seine Hand auf den Oberschenkel legt. Da hat uns Doris gezeigt, wie man in diesem Fall deutlich und stark sagen kann, dass einem das nicht gefällt.
Vieles bei diesem Workshop war mir neu, aber besonders habe ich mir gemerkt, wie man Meinungen/Vorurteile von anderen Menschen einfach ignorieren kann und wie man selbstsicher wirkt.
P.

Ich möchte jetzt meine Meinung äußern! Das Projekt sollte eine Prävention gegen Gewalt gegen Frauen fungieren. Dabei hieß es, wir Mädchen sollten lernen selbstbewusst zu sein, bei unangenehmen Dingen Nein zu sagen usw. Alles gut und recht. Aber das Problem sind nicht die Mädchen, die nicht Nein sagen, denn das sind wir vollkommen imstande. Es liegt auch nicht daran, dass Mädchen nicht selbstbewusst genug sind, denn das wären sie ja, wenn nicht immer jeder etwas über ihren Körper, ihr Verhalten, ihre Kleidung, ihr Aussehen zu sagen hätte. Das Problem liegt bei der Gesellschaft; Jungs dominieren, streiten, schreien und Mädchen sollen gehorchen, Kinder machen, brav sein. Und was, wenn ich nicht brav sein will?
Ich möchte eine Welt, in der ich anziehen darf, was ich will, ohne gleich einen Kommentar in Richtung „Kannst dich nicht wundern, wenn du vergewaltigt wirst!“ zu hören zu bekommen.
Ich möchte eine Welt, in der sich meine Eltern nicht fürchten müssen, wenn ich alleine unterwegs bin.
Ich möchte eine Welt, in der ich auch aus Wut mal schreien kann, irgendetwas zerstören, ohne dass gleich mein Nachbar kommt und sagt, ich sei ein „böses Mädchen“, wobei sein Junge genau dasselbe tun darf.
Ja, es ist eine tolle Welt, im wahrsten Sinne des Wortes, in der ich lebe!
Man spricht nur von Gleichberechtigung, dabei sind aber Stereotypen für die meisten Menschen ganz normal.
Sich gegen etwas sträuben, Nein sagen, das kann ich; vielleicht auch zu gut, sonst würde ich diesen Text nicht schreiben. Ich traue mich zu viel, das ist mancher Meinung. Und genau das ist das Problem: Nein sagen ist leicht, aber ob dieses Nein akzeptiert wird, das ist das wahre Problem.
Wir lernen Nein zu sagen, aber auf der anderen Seite lernt man nicht, dieses Nein zu akzeptieren.
Mit diesem Workshop wird einem wieder mal vor Augen geführt, dass Mädchen so schwache Dinger sind, die zu nichts taugen, ohne Hirn, man muss ihnen alles erklären: Aber so ist es nicht.
Mädchen sind stark, klug und noch vieles mehr, was man gar nicht so weiß und denkt. Sie können sich verteidigen, haben eine Willenskraft, die sich jeder Junge wünschen würde. Und genau den Jungs müsste man klar machen, dass dieses Nein eine stabile, undurchdringliche Wand ist. Genau ihnen müsste man erklären, dass sie nicht immer gewinnen können. Genau Jungs müssten Niederlagen erleben, sie akzeptieren, sich damit zurechtfinden. Aber sie werden genau umgekehrt erzogen. Man sag ihnen von klein auf, sie seien die Chefs, sie dürften alles tun, sie hätten das Kommando. Und Mädchen wird eingeprägt, sie sollen lernen, auf Kinder aufzupassen, zu kochen, zu putzen usw. Das erkennt man schon am Spielzeug. Mädchen sollen mit Puppen spielen, Jungen sollen mit Baggern spielen. Hier müsste etwas geändert werden, genau das ist das Problem, das wahre Problem hinter allem. Nichts anderes.
E.

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